Menschenhandel (online und offline) in einem möglichst frühen Stadium unterbrechen
Im November 2023 durften wir unser neues EU-gefördertes Projekt VANGUARD beginnen. VANGUARD steht für „adVANced technoloGical solutions coupled with societal-oriented Understanding and AwaReness for Disrupting trafficking in human beings“ (auf Deutsch: Fortschrittliche technologische Lösungen gekoppelt mit gesellschaftsorientiertem Verständnis und Bewusstsein für die Bekämpfung des Menschenhandels).
VANGUARD wird für einen Zeitraum von drei Jahren von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Horizont Europa (Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation) finanziert und setzt es sich zum Ziel, den Kampf gegen Menschenhandel zu stärken. Dies geschieht mittels fortschrittlicher technologischer Lösungen, die zum Verständnis, zur Sensibilisierung und zur Schulung relevanter Akteure beitragen sollen, um den Menschenhandel (online und offline) in einem möglichst frühen Stadium zu unterbrechen und die Kultur der Straflosigkeit zu bekämpfen. Darüber hinaus soll ein verbessertes Informationsbild über Menschenhandel erstellt werden, wobei der Schwerpunkt auf Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung der Arbeitskraft und der Zwangskriminalität liegt.
Gemeinsam gegen Menschenhandel bringt als eine von zwei NGOs seine Expertise in gleich mehreren Arbeitspaketen ein. Durch Befragungen von Tätern – insbesondere im Zusammenhang mit der sogenannten Loverboy-Methode – und Überlebenden werden u.a. Risiko- und Vulnerabilitätsfaktoren, Anwerbungsstrategie, Zwangsmittel, Täter-Opfer-Dynamiken und Ausstiegsbedingungen analysiert, um passgenaue Handlungsstrategien für die professionellen Akteure ableiten zu können. Darüber hinaus fließen die Erhebungserkenntnisse und auch die jahrelange Erfahrung in der Präventionsarbeit in die Entwicklung einer multidisziplinären Wissens- und Kooperationsplattform, Schulungsmaterialien sowie einer Awareness Kampagne und „Serious Games“ für Jugendliche und junge Erwachsene sowie relevante professionelle Akteure ein.
In diesem riesigen Projekt arbeiten wir mit insgesamt 22 Forschungs- und Hochschuleinrichtungen, technologieorientierten Unternehmen, Organisationen der Zivilgesellschaft sowie Polizei- und Grenzschutzbehörden aus 12 verschiedenen Ländern zusammen.
Empowerment through Vocational Integration
Stärkung von Betroffenen durch berufliche Integration
Das EU-geförderte Projekt „EVI“ hatte eine Projektlaufzeit von zwei Jahren (Januar 2022 – Dezember 2023). Ziel war die Erarbeitung von erfolgsversprechenden Aus- und Umstiegsmöglichkeiten für in der Prostitution tätige Frauen, die eine berufliche Veränderung anstreben.
Um dieses Ziel zu erreichen, bildeten die Projektpartner aus Karlsruhe, Nürnberg und Wien lokale Netzwerke: mit Partnern aus Wirtschaft sowie öffentlichen und privaten Sozialeinrichtungen schlossen wir bestehende Versorgungslücken für die Zielgruppe und boten bedürfnisorientierte Begleitung auf dem Weg in ein neues Arbeitsumfeld. Das berufliche Empowerment der Einzelnen stand für uns im Mittelpunkt. Unsere Partner-Unternehmen spielten dabei eine wichtige Schlüsselrolle: Nur sie konnten den erforderlichen niedrigschwelligen Zugang in den Arbeitsmarkt ermöglichen.
Zu den Projektergebnissen gehören ein visueller Jobguide und ein Leitfaden zum Netzwerkaufbau, der andere Organisationen dabei unterstützen soll, ebenfalls ein lokales Netzwerk zur Jobintegration aufzubauen. Außerdem gibt es noch einen Leitfaden für Beratungsstellen zur Sensibilisieren und Schulung von Arbeitgebenden.
Eine Fachtagung in Nürnberg zur Arbeitsintegration nach dem Ausstieg aus der Prostitution fand im September 2023 statt und rundete unser tolles Projekt ab. Audioaufzeichnungen und Fotos zur Fachtagung finden sich auf der Projektwebsite.
Zusammen mit unseren Partnern The Justice Project in Karlsruhe und Parakaleo in Nürnberg sowie Herzwerk und Hope for the Future aus Österreich wollen wir Betroffene geschlechtsbezogener Gewalt im Bereich der Prostitution durch Arbeitsintegration „empowern“.
Projekt-Website: https://evi-europe.eu
Förderung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit gegen Menschenhandel
Zu den Zielen des EU-geförderte Projekt ERADICATING (Dezember 2022 – November 2023) gehörten:
Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten und Schulung von Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwaltschaften, Arbeitsaufsichtsbehörden, Finanzermittlungsstellen und Sozialdienstleistern
Stärkung von grenzüberschreitenden Joint Ventures und Erleichterung des Informationsaustausch zwischen Strafverfolgungsbehörden, Behörden und zuständigen Organisationen
Sensibilisierung der potentiellen Nutzer von Menschenhandel, um die Präventions- und Identifizierungsmechanismen zu verbessern und die Kultur der Straffreiheit zu beenden.
In der zweijährigen Projektlaufzeit wurde ein Schulungshandbuch für den Umgang mit Fällen von Menschenhandel erstellt sowie ein praktischer Leitfaden mit den Verfahren zum Schutz der Opfer von Menschenhandel, nützlichen geschlechtsspezifischen und opferorientierten Kommunikationstipps sowie Hilfs- und Unterstützungsstrukturen für die Opfer von Menschenhandel. Die Materialien beziehen sich auf die Projektländer Deutschland, Griechenland und Bulgarien und werden außer auf Englisch auch in den jeweiligen Landessprachen zur Verfügung gestellt.
Unsere Projektpartner aus Deutschland, Griechenland und Bulgarien:
Zentrum für Sicherheitsstudien (Ministerium für Bürgerschutz) – Athen
Zentrum für Demokratiestudien – Sofia
Zentrum für soziales Handeln und Innovation – Athen
Griechische Polizei – Athen
Generaldirektion für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Innenministerium) – Sofia
Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern, Fachbereich Polizei
Projekt-Website: https://eradicate-thb.eu
Identifizierung und Integration von Betroffenen aus Westafrika
Zusammen mit unseren fünf Partnern The Justice Project, SOLWODI, APG23 aus Italien, SURT aus Spanien und Simon Kolbe von der Universität Eichstätt-Ingolstadt konnten wir von Januar 2021 bis Dezember 2022 die Arbeit am EU-geförderten Projekt „SISA“ durchführen. Ziel war es, die frühzeitige und proaktive Identifizierung, den Schutz, die Unterstützung und die Integration von weiblichen westafrikanischen Betroffenen des Menschenhandels durch ein Peer-to-Peer-Identifizierungs- und Peer-Mentoring-Programm zu erleichtern.
Gemeinsam bauten wir ein europaweites NGO-Netzwerk aus Beratungsstellen für Betroffene von Menschenhandel, die bereit sind, Dublin-Returnees nach ihrer Rücküberstellung (Abschiebung im Rahmen der Dublin-Verordnung) aufzunehmen und weiter zu betreuen. Die Dublin-III-Verordnung besagt, dass ein Asylantrag in dem EU-Mitgliedsstaat bearbeitet werden muss, in dem er gestellt wurde. Es gibt nur wenige Bedingungen, die diese Regel aushebeln, beispielsweise Familienmitglieder in einem anderen EU-Land. Asylbewerberinnen, die beispielsweise in Italien einen Antrag gestellt haben und dann nach Deutschland weitermigriert sind, werden daher im Normalfall nach Italien rücküberstellt. Für Betroffene von Menschenhandel kann das mit großen Gefahren und Retraumatisierung verbunden sein, da die sexuelle Ausbeutung meist auf dem Straßenstrich in Italien stattgefunden hat und die sekundäre Migration nach Deutschland eine Flucht vor dem Menschenhandelsnetzwerk war.
Durch die direkte Übergabe an eine andere NGO, soll Retraumatisierung und Reviktimisierung minimiert werden. 17 Organisationen aus 6 Ländern sind bereits Teil des Netzwerkes und vielen Klientinnen konnte erfolgreich geholfen werden.
Projekt-Website mit den erarbeiteten Handbüchern in englischer Sprache: www.sisa-europe.eu
Ein intersektioneller Ansatz für den Integrationsprozess von Betroffenen aus China und Nigeria
Ziel des Forschungsprojekts war es, die Integration von nigerianischen und chinesischen Überlebenden des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung zu verbessern und die derzeitigen Integrationssysteme effektiver zu gestalten.
Mittels eines kulturell sensiblen, opferzentrierten, intersektionellen Ansatzes sollten dauerhafte Lösungen für die Integration von nigerianischen und chinesischen Drittstaatsangehörigen gefunden werden. Dabei ging es nicht um die Schaffung neuer Integrationsprogramme, sondern darum, bestehende Praktiken anzupassen oder gegebenenfalls zu verbessern.
Speziell für die praktische Arbeit von Personen, die mit Betroffenen in Kontakt kommen, sind aus dem Projekt zwei Projekthandbücher hervorgegangen, die best practices und Lösungsansätze aus den Forschungsberichten zusammenfassen.
Diese und alle weiteren Materialien und Informationen zum Projekt sind auf der Projekt-Website www.intap-europe.eu zu finden.
Integrationsprogramm für Betroffene von Menschenhandel in Deutschland und Bulgarien
Die drei Schwerpunkte waren:
Die Identifikation von bisher unbekannten Orten (im Rahmen des Projekts in Berlin, Hamburg und Stuttgart), an denen mögliche Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sind und das Informieren von neuen potentiellen Opfergruppen (z.B. Geflüchtete) sowie Angehörige über die Gefahren durch Menschenhändler aufzuklären.
Die Integration von identifizierten betroffenen Frauen in Deutschland durch ein umfassendes Kompass-Programm in Berlin, das eine Neuorientierung durch Mentoring, Alltagskompetenzen, 3-monatiges Praktikum und Arbeitseinstieg ermöglichen soll. Im Schwerpunktland des Projekts – Bulgarien (Sofia) – wird das umfassende Kompass-Programm ebenfalls durchgeführt.
Für Betroffene, die nicht in Deutschland bleiben möchten oder können: Vorbereitung und begleitete Rückkehr der Betroffenen in ihr Herkunftsland (oder ein anderes Land) und die weitere Betreuung und Integration durch Partnerorganisationen vor Ort.
Projekt-Website: www.gipst.eu
Das Trainingshandbuch „Kompass“ soll die möglichen Bildungslücken der Betroffenen von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung schließen, um am Arbeitsleben teilnehmen zu können.