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Gleichstellungsmodell

Spanien auf dem Weg zum Gleichstellungsmodell

By Prostitutionspolitik

Der Einsatz der Frauenbewegung

Seit Jahrzehnten ist die spanische Frauenbewegung bereits aktiv im Kampf gegen die Prostitution. 2019 legten zahlreiche Frauenorganisationen des Landes gemeinsam einen Entwurf für ein Gesetz zur Abschaffung der Prostitution vor. Dies orientierte sich an den Grundlagen des Gleichstellungsmodells (Nordischen Modells), wie es auch in anderen Ländern, allen voran Schweden, bereits implementiert wurde:

  • Kriminalisierung der Nachfrage nach Prostitution (Sexkaufverbot bzw. Freierbestrafung)
  • die strafrechtliche Verfolgung von Zuhältern
  • das Angebot von Lebensalternativen für Frauen in der Prostitution (Ausstiegshilfen).

Etappensieg im Parlament

Am 7. April 2022 errangen sie schließlich einen bedeutenden Etappensieg: Das spanische Parlament stimmt mit Zweidrittel-Mehrheit dafür, ein Gesetz zur Freierbestrafung auf den Weg zu bringen. Eingebracht hatte den Gesetzentwurf die sozialistische Partei von Ministerpräsident Pedro Sánchez, PSOE. Adriana Lastra, die stellvertretende Generalsekretärin der PSOE und zuständig für die Verteidigung des Gesetzentwurfs, wies in ihrer Rede darauf hin, dass es nach Angaben des Innenministeriums 45.000 sexuell ausgebeutete Frauen in Spanien gebe. Sie rief zu einem Konsens auf, um der Straffreiheit der Zuhälterei ein Ende zu setzen: „In einer Demokratie werden Frauen weder gekauft noch verkauft“. Weiters erinnerte sie daran, dass sexuelle Ausbeutung eine „Verletzung der Menschenrechte“ sei. Ihre Partei sei davon überzeugt, „dass diejenigen, die aus der Not heraus entscheiden, nicht frei entscheiden“.

Als nächstes geht der Gesetzesentwurf an den Senat, der Änderungsvorschläge machen oder das Gesetz ganz ablehnen kann. Dann geht es zurück in das Abgeordnetenhaus zur weiteren Diskussion.

Druck der Zivilgesellschaft bleibt stark

Währenddessen bleibt der Druck aus der Zivilgesellschaft stark: Im Mai 2022 demonstrierten zuletzt über 7.000 Personen und über 150 Frauenorganisationen aus ganz Spanien gemeinsam in Madrid für das Gesetz. Überall finden Konferenzen, Kurse und Veranstaltungen statt, mit denen AbolitionistInnen die Gesellschaft sensibilisieren wollen. Doch auch die BefürworterInnen der Prostitution machen mobil und gehen als „Plattform der von der Abschaffung der Prostitution betroffenen Menschen“ (Plataforma de Personas Afectadas por la Abolición de la Prostitución) auf die Straße.

Käme das Gesetz durch, wäre Spanien das siebte Land in Europa mit dem Gleichstellungsmodell (Nordischen Modell) (nach Frankreich, Schweden, Norwegen, Island, Irland und Nordirland).

Hier geht es zum Bericht „EU-Studie empfiehlt Mitgliedsstaaten die Bestrafung von Sexkäufern“

Quellen:

Emma (15.06.2022): Freierbestrafung in Spanien?, online: https://www.emma.de/artikel/spanien-verbietet-prostitution-339553 [accessed: 10.08.2022]

Publico (08.06.2022): Congreso aprueba debatir la ley del PSOE contra la prostitución sin el apoyo de los aliados del Gobierno, online: https://www.publico.es/politica/congreso-aprueba-debatir-ley-prostitucion-psoe-apoyo-aliados-gobierno.html [accessed: 10.08.2022]

The Objective (07.06.2022): Los afectados por la abolición de la prostitución preparan un ‚verano caliente‘ contra el Gobierno, online: https://theobjective.com/espana/2022-07-06/prostitucion-verano-caliente-gobierno/ [accessed: 10.08.2022]

Foto von Fernando Sánchez (Europa Press)

Prostitution ist stets unzumutbar

By Prostitutionspolitik

Ein Job wie jeder andere?

Ist Prostitution oder „Sexarbeit“ ein Job wie jeder andere? Wenn es nach dem Berliner Sozialgericht geht, ist sie es nicht.

So verkündete das Sozialgericht Berlin in einem Urteil vom 19. Juli 2022, dass eine Person, die in Deutschland selbstständig in der Prostitution tätig gewesen ist, diese Arbeit jederzeit aufgeben kann, da sie als unzumutbar (gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II) gewertet werden muss.

Dass diese Frage erst mittels eines Gerichts beurteilt werden musste, mag so manche/n, dem/der die Umstände von Menschen in der Prostitution bekannt sind, verwundern. Wenn man sich jedoch vor Augen führt, wie Prostitution nicht nur verbal (als „Sexarbeit“), sondern auch (arbeits-)rechtlich in unserer Gesellschaft normalisiert wird, wird klar, warum diese Frage eben nicht so eindeutig zu beantworten war.

„Für eine Arbeitssuche dürfen sich EU-Bürger bis zu drei Monate in jedem anderen EU-Land aufhalten. Dabei ist in Deutschland der Anspruch auf Hartz-IV-Leistung als Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen. Wenn eine längere Tätigkeit unverschuldet zu Ende geht, besteht aber weiterhin ein Aufenthaltsrecht und EU-Ausländer haben dann auch Anspruch auf Hartz IV-Leistungen“, erklärt das Juraforum hierzu.

Juraforum, 2022

Der aktuelle Fall

Im aktuellen Fall wollte eine Bulgarin, die zwischen 2014 und 2019 in Deutschland selbständig in der Prostitution tätig war und Steuern gezahlt hatte, von diesem Recht Gebrauch machen. Die 29-Jährige hatte bereits einen 11-jährigen Sohn. Nun war sie zum zweiten Mal schwanger und konnte die Tätigkeit der Prostitution ihren eigenen Angaben zufolge nicht länger ertragen. Sie hörte also mit der Prostitution auf und suchte um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs, welches die Grundsicherung für Arbeitssuchende, „Hartz IV „, regelt) an.

Das Jobcenter Berlin Lichtenberg gewährte den Klägern auch zunächst für die Zeit bis einschließlich September 2020 diese Leistungen. Mit Oktober 2020 wollte es diese jedoch plötzlich nicht länger gewähren. Die Begründung lautete, die Bulgarin habe ihre Arbeitslosigkeit schließlich selbst verschuldet, als sie ihre selbständige Tätigkeit „bewusst und freiwillig“ beendet hatte.

Entscheidung des Gerichts

Zur Diskussion stand also die Frage, ob Prostitution als legale selbstständige Tätigkeit in Deutschland wie jede andere Arbeit zu bewerten ist.

Dies sah das Berliner Sozialgericht zum Glück anders: Es stellte fest, dass die Beendigung der Tätigkeit „vielmehr auf den objektiv unzumutbaren Umständen der prekären Armutsprostitution, die die Klägerin in den Jahren 2017 bis Juni 2019 ausgeübt hat“ beruhten. Es sei offensichtlich, dass es objektiv keinem Menschen zugemutet werden kann, sich unter den von der Klägerin […] geschilderten Bedingungen des Berliner Straßenstrichs zu prostituieren.“ Grundsätzlich sei die „willentliche Beendigung der Prostitution“ nicht als „freiwillige Aufgabe der Erwerbstätigkeit“ im Sinne des Freizügigkeitsgesetzes/EU zu sehen, die einen Fortfall des Aufenthaltsrechts und damit der Sozialleistungsberechtigung nach sich zöge, erklärte das Gericht entgegen der Argumentation des Jobcenters.

Weiters verdeutlichte das Gericht, dass eine Tätigkeit in der Prostitution nicht mit einer gewöhnlichen Erwerbstätigkeit vergleichbar sei. Vielmehr berühre sie die Intimsphäre und damit die Menschenwürde der betroffenen Personen in besonders starker Weise. Daher dürfe der Staat aufgrund seiner Schutzpflicht für die Menschenwürde zum Einen keine Arbeitsvermittlung in die Prostitution vornehmen und Hilfsbedürftige zum Anderen nicht dazu zwingen, sexuelle Dienstleistungen zu erbringen, um eine Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit zu erzielen. Dies gelte unabhängig davon, dass die Bulgarin die Arbeit zuvor ausgeübt hat: „Eine objektiv unzumutbare Arbeit, deren Ausübung der Staat von niemandem verlangen kann, wird nicht deshalb zumutbar, weil die Person die Arbeit zeitweise ertragen hat.“

Ein Schritt hin zum Nordischen Modell?

„Ist dieses Urteil damit geeignet, ein Sexkaufverbot nach dem sogenannten nordischen Modell zu begründen?“, fragt die taz. Zumindest greift es den grundsätzlichen Gedanken des Gleichstellungsmodells (Nordischen Modells) auf: Prostitution ist eben nicht zumutbar und kein „Job wie jeder andere“. Vielmehr brauchen Menschen Ausstiegshilfen, wenn sie es nicht länger ertragen, und keinen Staat, der ihnen nahelegt, sie müssten in der Prostitution verbleiben, egal unter welchen Umständen.

Dank dieses wichtigen Urteils des Berliner Sozialgerichtes blieb das Aufenthaltsrecht der Bulgarin bestehen und ihr und ihren Kindern wurden Hartz-IV-Leistungen zugesprochen.

HIER geht es zum GGMH Positionspapier zum Gleichstellungsmodell bzw. „Nordischen Modell“

Quellen:

Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU) § 2 Recht auf Einreise und Aufenthalt, online: https://www.gesetze-im-internet.de/freiz_gg_eu_2004/__2.html

Juraforum (20.07.2022): Ausstieg aus der Prostitution vom Sozialgericht Berlin erleichtert, online: https://www.juraforum.de/news/ausstieg-aus-der-prostitution-vom-sozialgericht-berlin-erleichtert_258216

SG Berlin (2022): Beschluss S 134 AS 8396/20 vom 15.06.2022, online: https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/171606

taz (30.07.2022): Kein Job wie jeder andere, online: https://taz.de/Prostitution-vor-Gericht/!5868438/

Photo by Thomas Ashlock on Unsplash

KAS-Studie mit Empfehlungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Nordischen Modells

By Forschung

So ist das Nordische Modell aufgebaut

In ihrer von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderten Studie “Perspectives on the Swedish Model to Prevent and Combat Prostitution and Trafficking” („Sichtweisen auf das schwedische Modell zur Verhinderung und Bekämpfung von Prostitution und Menschenhandel“, Übers. durch den Verf.) gibt Dr.in Wanjiku Kaime Atterhög, leitende Forscherin und Dozentin der Abteilung für Psychologie und Sozialarbeit an der Mid Sweden University, zuerst einen Überblick über die Geschichte und den aktuellen Stand des sogenannten „Schwedischen“ oder „Nordischen Modells“ und spricht anschließend Empfehlungen zur zukünftigen Verbesserung der Umsetzung aus.

Der 20-seitige Bericht in englischer Sprache ist leicht lesbar und erlaubt es Interessierten, sich ein gutes Bild von der Lage rund um das Schwedische Gesetz zu Prostitution und Menschenhandel zu machen. Atterhög hat sich insbesondere 2018 und 2021 intensiv mit dem Thema beschäftigt und praktische Forschungsarbeiten in Schweden durchgeführt, auf die sie in der Studie Bezug nimmt.

Sie erklärt, wie das Schwedische oder Nordische Modell aus drei Säulen oder Komponenten besteht, die in ihrer Gesamtheit wichtig für die Wirkung des Gesetzes sind. So stellt die Bestrafung des Sexkaufes nur eine Säule dar, die zum einen von der sozialen und zum anderen von der edukativen Säule begleitet wird. Atterhög erklärt, welche bedeutende Rolle gerade die soziale Komponente in der Vorbereitung des Schwedischen Gesetzes spielte und zitiert hierfür aus der Empfehlung zum 1999 in Kraft getretenen Gesetz: „A very important part of the work to reduce prostitution is the efforts made by social services…”. Auch der dritten, edukativen Komponente, die das Ziel einer gesellschaftlichen Veränderung bezüglich der Einstellung zum Thema Prostitution bzw. Sexkauf verfolgt, misst sie eine bedeutende Rolle zu.

Hier besteht noch Handlungsbedarf

Handlungsbedarf sieht sie in Schweden in der edukativen, vor allem aber im Bereich der sozialen Säule. Diese müsse gestärkt und besser finanziert werden. So zeigten die Ergebnisse ihrer Forschungen, dass Unterstützungsleistungen derzeit vor allem von zivilgesellschaftlichen Organisationen und nur in geringem Maße von staatlichen Institutionen geleistet werden. Es fehle eine klare Strategie und klare Richtlinien, um Personen, die aus der Prostitution aussteigen wollten, effektiv – vor allem auch langfristig – zu unterstützen und zu begleiten.

Sie betont, dass ein großer Teil der Personen, die in der Prostitution tätig sind oder zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach Schweden gehandelt werden, nicht schwedische Staatsangehörige seien. Afrikanische undokumentierte Frauen in der Prostitution seien sich der Gesetzeslage in Schweden oft nicht bewusst und hätten daher Angst davor, identifiziert und abgeschoben zu werden, obwohl sie in Schweden nicht kriminalisiert würden. Hier fehle es also an erreichbarer Information. Darüber hinaus erhielten nur sehr wenige identifizierte Betroffene des Menschenhandels längerfristige Aufenthaltsgenehmigungen oder Asyl aus humanitären Gründen und es gebe nicht genügend Schutzhäuser, die Betroffene für eine längere Zeit aufnehmen könnten.

Ländern, die das Nordische Modell übernehmen wollen, empfiehlt Atterhög, ein klares Verständnis bezüglich des Zusammenhangs der Phänomene Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu erlangen und allen drei Komponenten des Modells die gleiche Priorität und Finanzierung einzuräumen. Die Nachbetreuung von Aussteigerinnen aus der Prostitution in den verschiedenen Phasen der Betreuung und das Angebot nachhaltiger Alternativen sei hier besonders wichtig, um den Kreislauf von Benachteiligung und Ausbeutung zu durchbrechen.

Link zum Download der KAS-Studie: Konrad-Adenauer-Stiftung – Regional Programme Nordic Countries – Perspectives on the Swedish Model to Prevent and Combat Prostitution and Trafficking (kas.de)

Quelle Bild: Konrad-Adenauer-Stiftung

Große Reichweite und ein eindringlicher Appell zum Handeln: So war unsere Fachtagung 2021

By sexuelle Ausbeutung

Mit einem dringenden Appell zum Handeln ging unsere zweitägige hochkarätig besetzte virtuelle Konferenz mit über 30 Sprecherinnen und Sprechern über Trends und Strategien der Bekämpfung des Menschenhandels und aller Formen sexueller Ausbeutung am 24. und 25. Juni zu Ende. Zu den rund 600 TeilnehmerInnen gehörten überwiegend Fachleute von Polizei und Ermittlungsbehörden, Regierungsstellen und Botschaften sowie Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland sowie aus zahlreichen europäischen und außereuropäischen Ländern.

Veranstaltet wurde die Fachtagung dieses Jahr zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE.

Der Schwerpunkt lag auf langfristigen und nachhaltigen politischen Lösungen, der Stärkung der nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen, neuen, vielversprechenden Ansätzen der Strafjustiz und innovativen Ansätzen der Zivilgesellschaft im Umgang mit neuen Trends und Herausforderungen.

Sowohl die ehemaligen Betroffenen unter den Sprecherinnen, als auch die weiteren Expertinnen und Experten, die im Rahmen der vier unterschiedlichen Panels zu Wort kamen, legten einen Schwerpunkt auf das Thema der Nachfrage.

Kevin Hyland OBE, Mitglied der ExpertInnengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) des Europarats, sprach von der Notwendigkeit, den moralischen Kompass in der Gesellschaft zurückzusetzen. Das Wohlergehen der Menschen müsse an erster Stelle stehen und nicht die Wirtschaft und Reichtum. Menschenhandel und alle Formen der sexuellen Ausbeutung geschehen unmittelbar vor unseren Augen und bleiben dennoch verborgen. Wir marginalisierten Betroffene während die Nachfrage unberücksichtigt bleibe und die Täter und Täterinnen straffrei ausgingen. Dies müsse sich dringend ändern. Er forderte: „Wir müssen den Tätern und Täterinnen jeglichen möglichen Profit aus dem Verbrechen des Menschenhandels nehmen!“

Annette Widmann-Mauz, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Vorsitzende der Frauen Union der CDU Deutschlands, erklärte, die Frauen Union sei nach intensiven Diskussionen zu der gemeinsamen Haltung gelangt, dass Prostitution eben kein Job wie jeder andere sei und es in Deutschland einen Perspektivwechsel brauche, der endlich die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen in den Fokus rückt.

Widmann-Mauz verkündete darüber hinaus, der Bundestag werde in Kürze beschließen, 20 Millionen Euro für Ausstiegshilfen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollten Freier durch eine Beweislastumkehr stärker in die Verantwortung genommen werden. So müssten diese zukünftig nachweisen, dass sie von der Zwangslage einer Betroffenen, von der sie sexuelle Dienstleistungen in Anspruch genommen hatten, nichts gewusst hätten. Diese angekündigte gesetzliche Maßnahme wurden am Freitag nach der Fachtagung von dem Bundestag beschlossen.

Während Prostitution in Deutschland derzeit legal und reguliert ist, machten sich einige Sprecherinnen und Sprecher für das sogenannte “Gleichstellungsmodell” nach dem Vorbild von Frankreich und Schweden stark, das die Gleichstellung der Geschlechter fördert. In beiden Ländern werden Sexkäufer und Zuhälter bestraft, während die in der Prostitution Tätigen entkriminalisiert und beim Ausstieg unterstützt werden. Dieses Modell der Prostitutionspolitik wurde insbesondere von drei der ehemaligen Betroffenen, die bei der Konferenz zu Wort kamen, Sandra Norak, Shandra Woworuntu und Diane Martin CBE, stark befürwortet. In ihrer vehementen Rede stellte Shandra Woworuntu klar: “Prostitution ist eine Form der Unterdrückung, kein Beruf!”

Diane Martin CBE bat in ihrem Statement eindringlich darum, auf die Stimmen der sogenannten “Survivors” (“Überlebende” der Prostitution) zu hören: “Unsere Körper und unsere Seelen sind die Zeugen des entmenschlichenden Systems der Prostitution.” Sie drängte: “Wir müssen die Nachfrage nicht reduzieren, sondern abschaffen!” 

Die Video-Mitschnitte von allen vier Panels der Fachtagung sind bereits auf der Website der Fachtagung unter https://fachtagung2021.ggmh.de/programm für alle Interessierten abrufbar und wir freuen uns bereits jetzt auf unsere Folgekonferenz im Frühjahr 2022 live in Berlin, zu der wir an dieser Stelle schon einmal eine herzliche Einladung aussprechen möchten.

Menschenhandel: Kongress verschoben – die Not der Frauen nicht

By sexuelle Ausbeutung

Die Corona Maßnahmen in Deutschland machen es unumgänglich: Der Kongress “Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“, der vom 8. bis 11. November 2020 im Christlichen Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch Gmünd geplant war, muss leider ins übernächste Jahr auf den 29. Mai bis 1. Juni 2022 verschoben werden. Der Kongress soll Frauen in Prostitution eine Stimme geben und gleichzeitig nach Lösungsansätzen suchen.

Wir verschieben den Kongress mit großem Bedauern, denn der erste Corona Lockdown hat die Lage vieler Frauen in Prostitution in Deutschland neu ins Bewusstsein der Bevölkerung und der Politik gerückt. Etliche Frauen wurden obdachlos und machtlos. Gerade jetzt ist die Zeit zu handeln. Die verschärfte Lage durch Covid-19 und die Verschiebung des Kongresses hält uns nicht davon ab, unser gemeinsames Ziel intensiv zu verfolgen. Durch Videostatements von Politikerinnen und Politikern sowie Referenten, die ihre Teilnahme am Kongress zugesagt hatten, wollen wir das Leid von Zehntausenden Frauen ans Licht bringen und damit zu einer gesellschaftlichen Sensibilisierung und zu steigendem Unrechtsbewusstsein beitragen. Denn eines ist klar und sichtbar: Menschenhandel und Sklaverei (betrifft auch Männer und Kinder) ist in Deutschland deutlich präsent.

Statements:

Statement von Uwe Heimowski

Veranstalter:
Gemeinsam gegen Menschenhandel, Deutsche Evangelische Allianz, International Justice Mission, Aktion Hoffnungsland, Mission Freedom und Schönblick

Interview mit Frank Heinrich: „Wollen wir weiterhin als ‚Bordell Europas‘ gelten?“

By Prostitutionspolitik

Unser Vorsitzender und Bundestagsabgeordneter Frank Heinrich (CDU) engagiert sich schon lange gegen Menschenhandel und spricht im Interview über die Lage des Menschenhandels, wer davon betroffen ist, was sich über die Jahre verändert hat und welche Rolle die Kirchen und Gemeinden, aber auch jede/r Einzelne einnehmen können.

Die Corona-Pandemie habe dazu beigetragen, dass bestimmte Aspekte des Menschenhandels ans Licht kamen. Zum Beispiel seien alle Frauen eines bestimmten nationalen Hintergrunds schlagartig verschwunden. Daran sei erkennbar, wie viel Macht die Hintermänner haben, die den Menschenhandel organisiert planen und durchführen. Die deutsche Justiz habe nicht die benötigten Befugnisse, um dieses Verbrechen erfolgreich zu bekämpfen, da das Gesetz an dieser Stelle viel zu vage sei.

Heinrich sieht deshalb eine dringende Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Debatte über die Bezeichnung Deutschlands als das sogenannte „Bordell Europas“. In erster Linie betrifft das die deutsche Gesetzeslage, womit auch eine Diskussion, um ein potentielles Sexkaufverbot nach Nordischem Modell einhergehen würde.
Schließlich fordert er die christlichen Kirchen und Gemeinden dazu auf, ihre Stimmen zu erheben und aktiv zu werden. Außerdem sei es außerordentlich wichtig, dass sich einzelne BürgerInnen zum Beispiel mit Fragen zu den Umsetzungen der gesetzlichen Regelungen in ihren Städten, an ihre Abgeordneten wenden. Ein Interesse von Seiten der Bevölkerung trage direkt zu einer intensivierten Diskussion des Themas auf höherer Ebene bei.

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SPD thematisiert Nordisches Modell

By Prostitutionspolitik

Immer mehr Politikerinnen und Politiker der SPD fordern die Einführung des Nordischen Modells. Verfechter eines solchen Paradigmenwechsels sind vor allem die Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier, Vorstandsfrau von SISTERS für den Ausstieg aus der Prostitution e.V., und die Europaabgeordnete und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), Maria Noichl. Auch Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und (unterlegener) Kandidat für den Vorsitz der SPD, plädierte für das Nordische Modell im Rahmen seines innerparteilichen Wahlkampfes für den Vorsitz. Nähere Informationen finden Sie hier.

Einen entsprechenden Beschluss hat der SPD-Landesverband Baden-Württemberg auf seinem Landesparteitag Mitte Oktober in Heidenheim verabschiedet. Mehr als drei Jahre wurde innerhalb der Landespartei das Thema kontrovers diskutiert. Auf dem Parteitag stimmte schließlich eine eindeutige Mehrheit für dieses Modell. Nun steht möglicherweise Anfang Dezember ein entsprechender Antrag auf der Tagesordnung für den SPD-Bundesparteitag in Berlin.

Neuer Parlamentskreis: „Prostitution wohin?“

By Prostitutionspolitik

Mitte Oktober hat sich zum ersten Mal der Parlamentskreis „Prostitution – wohin?“ getroffen. Initiiert wurde er von den Bundestagsabgeordneten Leni Breymaier (SPD), Vorstandsmitglied von SISTERS für den Ausstieg aus der Prostitution e.V., und Frank Heinrich (CDU), Vorsitzender von Gemeinsam gegen Menschenhandel e.V.
Die Idee für diesen Arbeitskreis entstand Anfang des Jahres als ein Ergebnis des Parlamentarischen Abends „Entkriminalisierung, Sexkaufverbot, Ausstiegshilfe“ in der französischen Botschaft, zu dem ebenfalls die beiden Abgeordneten eingeladen hatten. An dem ersten Treffen nahmen 16 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen sowie zahlreiche Mitarbeitende aus den Bundestagsbüros teil. Der Parlamentskreis will „einen möglichst realistischen Blick“ auf das Thema werfen und in etwa einem Jahr Bilanz ziehen.
Zu dem ersten Treffen im Paul-Löbe-Haus wurde Sandra Norak als Expertin eingeladen. Sie war Opfer der Loverboy-Methode, sechs Jahre in der Prostitution und studiert jetzt Jura. Sie engagiert sich für das Nordische Modell. Während sie ihren bewegenden Vortrag hielt, demonstrierten vor dem Parlamentsgebäude einige Dutzend AktivistInnen verschiedener Pro-Prostitutions-Organisationen. Gleichzeitig gab es eine Solidaritätsbekundung und Presseerklärung vom Netzwerk Ella, einem Zusammenschluss von Frauen in und aus der Prostitution, die ebenfalls für die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland plädieren.

Photo by Norbert Braun on Unsplash