Skip to main content

Kirchenasyl für zwei Betroffene des Menschenhandels

Eine Würzburger Ordensschwester muss sich erneut vor Gericht dafür verantworten, dass sie zwei Betroffenen von Menschenhandel Kirchenasyl gewährt hatte. Die zwei Frauen, die bereits in Nigeria sexuelle Gewalt erlebt hatten, wurden in Italien von Menschenhändlern der Prostitution zugeführt und sexuell ausgebeutet, bis sie schließlich nach Deutschland flüchteten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte ihre Asylanträge jedoch mit Verweis auf die sogenannte Dublin-Verordnung ab.

Die Dublin-III-Verordnung besagt, dass ein Asylantrag in dem EU-Mitgliedsstaat bearbeitet werden muss, in dem er erstmals gestellt wurde – in diesem Fall Italien. Es gibt nur wenige Bedingungen, die diese Regel aushebeln. Hierzu gehören beispielsweise Familienmitglieder, die sich in einem anderen EU-Land aufhalten. Asylbewerberinnen, die wie im vorliegenden Fall in Italien einen Antrag gestellt haben und dann nach Deutschland weiter migriert sind, werden daher im Normalfall nach Italien rücküberstellt. Für Betroffene von Menschenhandel kann ein solches Vorgehen jedoch mit großen Gefahren und Retraumatisierung verbunden sein, da die sexuelle Ausbeutung meist auf dem Straßenstrich in Italien stattgefunden hat und die sekundäre Migration nach Deutschland eine Flucht vor dem Menschenhandelsnetzwerk war.

Mit diesen Umständen vertraut trat die GGMH-Mitgliedsorganisation SOLWODI e.V. an die Würzburger Ordensschwester heran. Diese gewährte unter Berufung auf ihr Gewissen und ihren Glauben Kirchenasyl für die zwei Frauen, um sie vor erneuter Ausbeutung zu schützen. Die rechtliche Vertretung der bayrischen Bistümer forderte Deutschland darüber hinaus auf, vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Asylverfahren zu übernehmen.

Statt Schutz vor Abschiebung Strafe für die Ordensschwester

Stattdessen erhielt die Ordensschwester jedoch eine Verwarnung mit Strafvorbehalt. Sie sollte 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen und für zwei Jahre kein weiteres Kirchenasyl gewähren.

Am 14. Juli findet nun der Berufungsprozess statt, in dem die Staatsanwaltschaft sogar noch eine höhere Strafe fordert, während die Ordensschwester auf einen Freispruch hofft.

Mehr Informationen zur Kirchenasylbewegung in Deutschland finden sich unter www.kirchenasyl.de.

In unserem EU-geförderten Projekt „SISA“ arbeiten wir zusammen mit unseren Projektpartnern aus Italien, Spanien und Deutschland an der Aufstellung eines „Dublin-Return Netzwerkes“. Das Netzwerk besteht aus spezialisierten Beratungsstellen, die Dublin-Rückkehrerinnen aus anderen EU-Mitgliedstaaten aufnehmen und diesen sowie sich in ihrer Obhut befindenden Kindern wichtige Soforthilfe leisten können und befindet sich aktuell im Aufbau. Partnerorganisationen sind herzlich willkommen!

Quellen:

Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (2022): Über Kirchenasyl. Erstinformation, online: https://www.kirchenasyl.de/erstinformation/ 

KOK (04.06.2021): Projektnewsletter V/2021, Flucht und Menschenhandel. Sensibilisieren, Prävention und Schutz, online: https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/fileadmin/user_upload/projektnewsletter/KOK_PNL_Flucht_Menschenhandel_V_21.pdf 

Süddeutsche Zeitung (28.06.2022): Berufungsprozess gegen Ordensschwester, online: https://www.sueddeutsche.de/bayern/kirchenasyl-ordensschwester-berufung-1.5610777

Header Photo by Philip Jahn on Unsplash