Der TIP-Report
Am 19. Juli 2022 veröffentlichte das Büro zur Überwachung und Bekämpfung von Menschenhandel im US-Außenministerium den jährlich erscheinenden Trafficking in Persons (TIP) Report. Der 634-seitige Bericht analysiert Entwicklungen im Bereich des Menschenhandels. Er bewertet auch, inwiefern Länder die Mindeststandards des US-amerikanischen Gesetzes zum Schutz der Opfer des Menschenhandels erfüllen. Diese stimmen im Wesentlichen mit den Vorgaben des sogenannten „Palermo-Protokolls“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000 überein.
Der TIP-Report teilt die 188 Länder, die für den vorliegenden Bericht untersucht wurden, in vier Kategorien ein:
TIER (Stufe) 1: Länder, deren Regierungen die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels vollständig erfüllen.
TIER (Stufe) 2: Länder, deren Regierungen die Mindeststandards nicht vollständig erfüllen, die aber erhebliche Anstrengungen unternehmen, um diese Standards zu erfüllen.
TIER (Stufe) 2 Watchlist (Überwachungsliste): Länder wie TIER 2, deren geschätzte Zahl der Opfer schwerwiegender Formen des Menschenhandels jedoch sehr hoch ist oder deutlich ansteigt und die keine angemessenen konkreten Maßnahmen ergreifen. Oder Länder, wo es an Nachweisen dafür fehlt, dass die Anstrengungen zur Bekämpfung schwerer Formen des Menschenhandels im Vergleich zum Vorjahr zugenommen haben.
TIER (Stufe) 3: Länder, deren Regierungen die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig erfüllen und auch keine nennenswerten Anstrengungen unternehmen, dies zu tun.
Besser als in den Vorjahren
Nach drei Jahren in Folge auf Stufe 2 wurde Deutschland nun erstmals wieder auf Stufe 1 gelistet. Angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kapazitäten zur Bekämpfung von Menschenhandel habe die deutsche Regierung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum wichtige Erfolge erzielt. Zu diesen Erfolgen gehörten die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von mehr Menschenhändlerinnen und Menschenhändlern. Auch habe es im Vergleich zum Vorjahr verstärkte Anstrengungen der Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung von Menschenhandel gegeben. Seit der Eröffnung eines weiteren Beratungszentrums im Jahr 2021 arbeiteten in allen 16 Bundesländern auf Menschenhandel spezialisierte NGOs. 2021 habe ein Bundesland bei der Staatsanwaltschaft eine neue Spezialabteilung zur Bekämpfung von Menschenhandel eingerichtet. Ein weiteres Bundesland eröffnete zwei neue Unterkünfte, die männlichen Opfern Zuflucht bieten sollen. Die Mittel für die Betreuung von Opfern seien aufgestockt worden und gemeinsam mit NGOs sei ein ministerienübergreifender Rahmen für Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft erstellt worden.
Weiterer Verbesserungsbedarf
Dennoch identifiziert der TIP-Report auch noch Bereiche, die in Deutschland verbessert werden müssen: So sei das Angebot an Unterkünften, die männlichen Opfern Schutz böten, insgesamt nach wie vor unzureichend. Auch die Finanzierung von Unterkünften und NGOs zur Betreuung und Unterstützung von Opfern sei weiterhin unzureichend. Im Bereich der Strafverfolgung würden weiterhin zu milde Strafen verhängt und die Regierung habe weiterhin keine bundesweite Richtlinie zur Identifizierung und Weiterverweisung von Opfern aller Arten von Menschenhandel (sprich: einen funktionierenden nationalen Verweisungsmechanismus, NRM) eingesetzt. Viel zu selten käme es zu Entschädigungszahlungen an Opfer des Menschenhandels.
Angesichts des weiterhin bestehenden Verbesserungsbedarfs, spricht der Bericht eine Reihe von Empfehlungen aus. Diese können in dem fünfseitigen Länderbericht zu Deutschland nachgelesen werden, den die US-amerikanischen Botschaft in Berlin ins Deutsche übersetzt und HIER auf ihrer Website zur Verfügung gestellt hat.
Der gesamte TIP-Report auf Englisch kann HIER heruntergeladen werden.
HIER geht es außerdem zu unserem Kurzbericht zum TIP-Report von 2019.